Archi Wiki
Advertisement

Die Enfilade (französisch enfiler ‚auffädeln, aufreihen‘) oder auch Raumflucht ist ein barockes Architekturmittel. Sie besteht aus einer Aneinanderreihung von Räumen zu einer Zimmerflucht, wobei die Türöffnungen exakt gegenüberliegen. Dies hat zur Folge, dass man bei geöffneten Türen vom ersten Raum bis zur Wand des letzten Raums beziehungsweise durch das Fenster dort blicken kann.

Entstehung[]

Die Enfilade wurde in Frankreich entwickelt und fand beim Bau repräsentativer Profanbauten wie Schlössern, Herrenhäusern und Hôtels particuliers (Stadtpalais), Verwendung. Erste Beispiele finden sich während der Renaissance, doch die Blütezeit der Enfilade war die Epoche der Barockschlösser.

Das berühmteste Beispiel ist das Schloss Versailles des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. von 1670, von dem man sich in ganz Europa inspirieren ließ. Die Raumfolge der Paradezimmer und Festsäle königlicher Paläste und fürstlicher Residenzen war vom strengen Hofzeremoniell genau bestimmt. Während die italienische Raumaufteilung seit der Renaissancezeit Korridore vorsah, von denen aus die Räume erschlossen wurden, waren nach französischem Schema, vor allem im 18. Jahrhundert, die Baukörper komplett mit Räumen ausgefüllt, die durch Enfiladen verbunden wurden. Auch große und prachtvolle Treppenhäuser spielten nach dem Vorbild der Versailler Gesandtentreppe eine Rolle im protokollarischen Zeremoniell.

In Barockpalästen erfolgte der Zutritt zu den einzelnen Räumen einer Enfilade je nach dem Rang des Besuchers. Die ersten Räume (etwa Gardezimmer, Kammerherrenzimmer, Wartezimmer, Vorzimmer, Audienzzimmer und Thronsaal) waren eher öffentlich, die nachfolgenden Räume (wie Speisesaal, Arbeitszimmer, Schlafzimmer, Ankleidezimmer, Boudoir) waren privat. Das Protokoll erforderte, dass Besucher von Dienern oder Kammerherren durch die Enfilade in denjenigen Raum geleitet wurden, der ihrem Status höchstens zugänglich war. Wenn der Besucher von gleichem Rang war wie der Schlossherr, empfing dieser ihn im ersten Raum oder an der Treppe bzw. am Portal. War er von höherem Rang, so hatte ihm der Schlossherr entgegenzureisen und ihn zum Schloss zu begleiten. Wenn etwa eine Braut eingeholt wurde, reiste ihr der Bräutigam mit Familie entgegen. Für den Abschied galt dasselbe umgekehrt. Wollte der Schlossherr den Besucher besonders auszeichnen, dann begleitete er ihn weiter, als das Protokoll es vorsah.

Ludwig XIV. ließ in Versailles auf beiden Seiten des Mittelbaues je ein Appartement für sich und seine Frau, jeweils mit eigenen Enfiladen, einrichten. Nach dem Tod der Königin versetzte er sein Paradeschlafzimmer in die Mitte der Gesamtanlage auf der (östlichen) Hofseite, sodass die Strahlen der aufgehenden Sonne das Zeremoniell des Lever erhellten.

Während der Régence seit dem Tod Ludwigs XIV. 1715 wurde der Lebensstil am französischen Hof bereits weniger formell, doch gerade in Deutschland wirkte das Beispiel des Versailler Hofzeremoniells noch lange nach, weil es den Absolutismus perfekt versinnbildlichte. In Österreich war das Spanische Hofzeremoniell gebräuchlich, das sich aber bereits unter Maria Theresia auflockerte. Das Rokoko bevorzugte die kleineren, intimeren Lustschlösser mit Enfiladen en miniature, die eher symbolische Bedeutung hatten. In der Zeit des Biedermeier rückte die Intimität in den Vordergrund und das Stilmittel der Enfilade fand weniger Anwendung.

Beispiele[]

Eine vollkommene Raumflucht befindet sich im Schloss von Versailles. Beeindruckende Enfiladen findet man auch in der Würzburger Residenz, der Ludwigsburger Residenz, im Neuen Palais von Sanssouci und im Katharinenpalast in Zarskoje Selo (heute Puschkin) bei Sankt Petersburg. Barocke Herrenhäuser oder Stadtpalais des niederen Adels ahmten die Enfiladen der großen Residenzen in verkleinerter Version nach.

Literatur[]

  • Barbara Schock-Werner: Enfilade. In: Horst Wolfgang Böhme, Reinhard Friedrich, Barbara Schock-Werner (Hrsg.): Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. Philipp Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-010547-1, S. 115–116, doi:10.11588/arthistoricum.535.
Advertisement